Pastor Wilhelm Busch

Jugendpfarrer und Evangelist

Wilhelm Busch


Vortrag: Die Bibel

Ich möchte das, was ich zu sagen habe, gewissermaßen in drei Bildern sagen.

Das erste Bild:

Seht, ich bin von Herzen jedem Krieg feind. Ich möchte nicht mit der kleinen Fingerspitze in meinem Leben nochmal etwas zu tun haben in irgendeiner Form mit Krieg. Aber es gibt einen Krieg, den ich ernsthaft doch nicht loswerde. Und das ist der Krieg, daß der Teufel gegen meine Seele streitet, und dazu Fleisch und Blut alarmiert. Ach, wenn ich so denke, was diese Schar Männer und junger Männer, wenn sie es ernst nehmen, für Kämpfe auszufechten haben um ihren Christenstand. Habe ich recht, Genossen? Ja, nicht, diesen Krieg werde ich nicht los.

Da kann mir einer sagen: Gibt's denn wirklich den Teufel?

In jedem Krieg gehört es zur besonderen Kunst, daß man sich tarnt. Wenn ich so Manöver sehe, und da laufen Soldaten 'rum und haben so Zweige auf dem Helm, dann amüsier' ich mich immer, nicht, weil ich an den kommenden Atomkrieg denke, wie der wohl mit den Zweigen fertig wird... Aber das gehört, die Tarnung gehört dazu, darum werden die Amerikaner einfach nicht fertig in Vietnam, die sehen ihren Gegner ja nie, der steht im Dschungel...

Der Teufel hat in diesem Kriege die Kunst der Tarnung auf's Vollendetste getrieben, daß die ganze Welt nämlich sagt: Es gibt ihn gar nicht. Also ich weiß, daß es ihn gibt. Und nun muß ich etwas reden, das ist mein erstes Bild, von der Strategie, oder vielmehr von der Taktik des Teufels. Ich war im ersten Weltkrieg bei Verdun als Offizier, in einem Artillerie-Regiment, und da haben wir in einer Schlucht, in der Onde-Schlucht am Fort Douaumont lange Zeit große Schwierigkeiten gehabt.

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Artilleriebeobachter mit Scherenfernrohr

Quelle: Bundesarchiv, Bild 101I-198-1363-29A
Henisch / CC-BY-SA

Wir lagen an einem Hang, und an dem anderen drüben waren die Franzosen. Und das für uns Unerträgliche war: Wo kriegen die eigentlich ihren Nachschub, ihre Munition, ihren Ersatz her? Wir haben also..., ...ich habe mit meinem Scherenfernrohr stundenlang den Hang da drüben beobachtet. Ich sah nirgendwo einen Weg. Wir haben nachts mit Feuer da hin gestreut, aber sie saßen da fest. Und wir sagten: Da muß irgendwo ein Anmarschweg sein in diese Stellung. Und ich erinnere mich, wie an einem Abend, kurz ehe es ganz dunkel wird, ich mein Scherenfernrohr drehe und sehe auf einmal eine unvorsichtige Feldküche etwas voreilig in Stellung gehen - da war offensichtlich ein weg so halb verdeckt vom Hang. Plötzlich hatte ich den Anmarschweg des Gegners entdeckt. Und jetzt frage ich Euch: Was habe ich wohl gemacht? Habe ich durchgegeben: Vorsicht, da nicht hinschießen, da bewegen sich Leute nachts? Ja? Nein, im Gegenteil, das gehört zum entsetzlichen Krieg, daß man das sofort nach hinten meldet: Da geht der Anmarschweg.

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Früherer Beobachtungsturm am Fort Douaumont

Quelle: Wikipedia

Und nun wurde natürlich die ganze Nacht mit allen Kanonen auf den Anmarschweg geschossen. Dazu braucht man nicht General zu sein, um zu kapieren, daß es eine ganz große Sache ist, wenn ich den Anmarschweg des Gegners weiß. Den nehm' ich unter Feuer, klar, nicht?

So schlau ist der Teufel auch. Und der hat 'rausgekriegt: Der Anmarschweg zur Erkenntnis Gottes und der Anmarschweg zur Erkenntnis des eigenen Herzens und der Anmarschweg zur Erkenntnis des Heiles Jesu Christi und der Anmarschweg zum Seligwerden und der Anmarschweg zum Himmel ist die Bibel. Wenn der Mensch die Bibel nicht hat, dann ist er auf seine Phantasie angewiesen, nicht, versteht ihr? Die Bibel ist der Anmarschweg zur Erkenntnis des lebendigen Gottes und zum Frieden mit Gott und zum Himmelreich, zu allem, Ja, und da hat der Teufel natürlich sich gesagt, da muß ich mit der gesamten Artillerie auf den Anmarschweg schießen. Und darum ist die Bibel unter Feuer, seit sie existiert. Das ist überhaupt nichts Neues. Schwerstes Geschütz: Da kommen die Atheisten und sagen: Das Ganze ist 'ne Erfindung. Und dann kommt leichtes Geschütz, davon spreche ich dann gleich noch. Das sind Theologie-Professoren, die auch noch "gläubig" sind, aber... Und dann all die kleinen Leute, die davon was mitgekriegt haben und das so weitertragen: Natürlich die Bibel, aaber..., nicht? Ist kein Naturkunde-Buch, und so weiter.

Dann Maschinengewehr-Feuer: Du liest noch die Bibel? so im Betrieb, was Du liest noch die Bibel, bist Du doof? Der Teufel schießt mit allen Rohren auf den Anmarschweg zum Reiche Gottes, und das war vor alter Zeit so, und ist heute auch noch so. Wenn man also sagt "in der modernen Zeit", sage ich: Das ist gar nichts Neues: Seit ich denken kann - als Student schon, da gab es Professoren, die uns in Gottes Wort einführten, und da gab es Professoren die alles herunterrissen, da hab' ich mit den Ohren geschlackert und habe an Verdun gedacht: Der Anmarschweg wird beschossen, nicht? Ich glaubte das nicht...

Es muß ja so sein, daß die Bibel den Menschen ärgert. Denn seht, in der Bibel spricht der Gottesgeist, und der ist genau entgegengesetzt dem Geist des Menschen. Die Bibel bürstet gewissermaßen immer "gegen den Strich", versteht ihr. Ich will Euch einmal ein Beispiel sagen. Da kriegte ich mal am Anfang des dritten Reiches, des Nazireiches, den Auftrag, ich sollte in einer höheren Schule jeden Montagmorgen Schulgottesdienst halten. Damals war das noch nicht so wie heute, wo sie alle ja sagen, und da habe ich gedacht, jetzt will ich mal 'nen Text suchen der nicht von vornherein die Studienräte ärgert, wo sie so ein bißchen zustimmen können. Und dann hab' ich die Bibel durchgesucht: ich fand keinen. Wenn ich mehr nachsehe, widerspricht jedes Wort der Bibel meinem natürlichen Denken, jedes Wort. Nicht, so ein Wort "Seid männlich und seid stark", denke ich: das paßt doch. Und auf einmal ging mir auf: Wie kann ich denn einem schwachen Menschen befehlen: Sei stark. Ist ja wahnsinnig, nicht? Kann doch einem schwachen Menschen nicht sagen, hier, so enem wie ich: Heb mal 'ne antel so von drei Tonnen....

Ich fand keinen. Und darum fällt es dem Teufel verhältnismäßig leicht, weil er ja die Vernunft, die unerleuchtete Vernunft auf seiner Seite hat, den Anmarschweg zum Reiche Gottes unter Feuer zu nehmen. Ich bitte Euch also als Erstes: Wenn was gegen die Bibel gesagt wird - grobes Geschütz oder leichtes Geschütz - da müßt ihr heimlich ein bißchen grinsen und denken: "Spiegelberg, ich kenne Dir", das kommt also in der deutschen klassischen Literatur vor, dieses Wort*.

* aus: Annette von Droste-Hülshoff, Brief an Levin Schücking, 30. November 1844

Da müßt ihr ein bißchen grinsen und denken; das beweist noch nichts, der Teufel schießt mal wieder auf den Anmarschweg, das beweist noch gar nichts. Damit im Kommenden keine Mißverständnisse entstehen (das ist nämlich tatsächlich möglich), möchte ich, also, ich jetzt hier persönlich zu diesem ersten Bild bekennen, so wie's meine Mutter mir mal gesagt hat: I' glaub's wie's do steht... Meine Mutter stammte von Württemberg und wohnte auf der Schwäbischen Alb. Und da war ich ein wenig kritischer Student, und da sagte sie:  I' glaub's wie's do steht. Und das sage ich heute auch, wenn einer Zweifel hat. Und wenn einer sagt, aber bitte Dich - Schöpfungsgeschichte, dann sage ich: Sogar da. Ich halte es mit dem Professor für Theoretische Physik, der mehr davon versteht, Professor Gruner aus Bern, der zum biblischen Schöpfungsbericht gesagt hat: Wenn dann einmal die Wissenschaft alles weiß, dann wollen wer sehen, wie weit sie vom biblischen Schhöpfungsbericht abweicht. Bis dahin aber, da die Naturwissenschaft noch lange nicht alles weiß, halte ich mich an der Bibel. Aber das ist meine persönliche Stellung, das lege ich keinem als Gesetz auf. Ich möchte nur als erstes sagen: Es gehört sich so im Krieg Satans, der gegen die Seele streitet und unsere Seligkeit, daß er den Anmarschweg, Gottes Wort, unter Feuer nimmt. Ist das klar? Lieben Brüder, ihr tut mir, um das zwischendurch zu sagen, grauenvoll leid, daß ihr jetzt also zwei Stunden hier auf einem Fleck sitzen sollt, ohne Euch zu rühren, nicht? Ich schlage doch vor, daß wir vor'm zweiten Bild aufstehen und stehend eben einen Vers singen - einverstanden? Wer's nicht kann, soll sich genieren und sitzenbleiben....

Wach auf, du Geist der ersten Zeugen, 
die auf der Mau'r als treue Wächter stehn,
die Tag und Nächte nimmer schweigen
und die getrost dem Feind entgegengehn,
ja deren Schall die ganze Welt durchdringt
und alIer Völker Scharen zu dir bringt.

Hat's gut getan? Jawoll!

Das zweite Bild:

Das erste war "Bibel als Anmarschweg". Als der Herr Jesus, der Sohn Gottes, vom Teufel versucht wurde, zeigte er ihm alle Reiche der Welt. Ah, das war ein Bild, wie der Teufel die Vorhänge wegschob am Horizont, und der Herr Jesus - wir sahen jetzt dieses Japan und Hongkong - aber alle Reiche der Welt in einem Augenblick und ihre Herrlichkeit, nicht einen armen Flug. Der Teufel, der retuschiert, versteht ihr, der retuschiert: Gefängnisse und Schlachtfelder zeigte er nicht, und dann sagte er: Das gebe ich Dir, wenn Du niederfällst und mich anbetest.

Matth. 4, 8-10: Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Hebe dich weg von mir Satan! denn es steht geschrieben: "Du sollst anbeten Gott, deinen HERRN, und ihm allein dienen."

Und da antwortet Jesus: Es steht geschrieben - es steht geschrieben: Du sollst anbeten Gott Deinen HERRN. Das heißt, der Sohn Gottes hat sich zurückgezogen in die Burg des Wortes Gottes. Von da aus hat er sich verteidigt. Und das zweite Bild, das ich brauchen will, ist: Die Bibel ist mir eine Burg geworden, eine Burg, damit ich in dieser verrückten Welt fest stehen kann. Ich bin jetzt ein uralter Mann, der nur noch mit Mühe sich aufrechterhält von 68 Jahren, und wenn ich auf die 68 Jahre zurücksehe, wie doch jeder Tag seine Versuchungen hatte, zum Unglauben und zur Sünde, da wär' ich längst erlegen, wenn ich nicht einfach die Tür zugemacht hätte und gesagt: so jetzt lese ich meine Bibel - Frau, wenn's Telefon schellt, ich bin jetzt nicht da. Ich hab' mich in die Burg der Bibel zurückgezogen, die Bibel ist ein Fort, ein Fort.

Ich weiß. was ewig dauert,
ich weiß, was fest besteht,

auf ew'gen Grund gemauert
steht diese Schutzwehr fest.
Es sind des Heilands Worte,
die Worte fest und klar.
An diesem Felsenhorte
halt' ich unwandelbar.

Ich bin heute morgen auf diese Burg da 'raufgegangen, na, heute kann man sich damit nicht mehr verteidigen, aber schön ist sie, da in Esslingen, schön. So ist die Bibel 'ne Burg, damit kann man sich heute noch verteidigen. Und nun sagen die Leute im Jahr 1965: 'ne Burg ist ein bißchen unmodern, wir müssen 'se umbauen. Da kommen die ersten und sagen: "Wir müssen ein bißchen dranbauen. Diese alte Burg, die ist 2000 Jahre und noch älter, ganz schön, aber wir müssen noch ein bissel dranbauen, sie genügt noch nicht." Nicht, da kann man noch einen Flügel anbauen, und dort kann man noch einen Flügel anbauen. Und da möchte ich am liebsten Examen halten, welche Leute das etwa sind, die an der Burg der Bibel noch dranbauen wollen. Na, zum Beispiel? Ich höre. Bitte? Ganz richtig - die Neuapostolischen. Ich hab' den Oberapostel - den früheren - sagen hören: Die Bibel ist Gottes Wort, das ist darum Brot des Lebens, aber altbackenes Brot des Lebens, wir backen heute täglich als Apostel frisches Brot... versteht ihr, da wird drangebaut an die Burg. Oder, wer noch? Na... sehr naheliegend - die römische Kirche. Ich habe [in der Bibel] nie gelesen von einer Himmelfahrt Marias. Aber das gehört bei denen zur christlichen Lehre, da hat man drangebaut, nicht. Sie sagen: Bibel und Tradition, Bibel und was die Konzilien lehren - das sind Anbauten.

Oder, in Württemberg, da krebst ab und zu noch in den Häusern ein merkwürdiger Mann 'rum, der heißt Lorber, habt ihr von dem mal gehört, Johannes Lorber. Der hat sieben Bücher zur Ergänzung der Bibelbücher geschrieben, ab und zu finde ich den Unsinn. "Engeloffenbarung durch die Magengrube" zum Beispiel, großer Abschnitt. Engeloffenbarung durch die Magengrube, könnt ihr Euch vorstellen, was da möglich ist, wenn der Engel sich erst durch die Ohren offenbart... Sieben Bände zur Ergänzung der Bibel, versteht ihr, das ist die eine Gefahr. Die Burg der Bibel genügt nicht, man muß "modern" sein, man muß 'nen modernen Flügel anbauen. Bitte, lieben Freunde, paßt auf, daß, wenn Euch einer sowas erzählen will, ihr sagt: Mir genügt die Burg, die meinem Heiland genügte.

Jetzt kommen die anderen und sagen: Anbauen braucht man nicht, aber da muß man abreißen, da muß einiges weg, wie etwa bei so einer alten Burg: Da sind noch Türme und Schanzen, die nicht mehr gebraucht werden, reißen wir die erstmal ab. Wir können das Ganze noch etwas übersichtlicher machen. Das ist die zweite Sorte, die abreißen will. Zum Beispiel: Da leg' ich neulich auf einer Konferenz ein Wort aus aus dem Alten Testament aus, da kommt so'n lieber Bruder, so, das war ein Schwabe, die tüfteln so... und sagt: "Ja, das ist nur für Israel geschrieben". Ach, sage ich, wie schrecklich, das habe ich nun ausgelegt für Christen... "Ja, weißt Du nicht, das man das einteilen muß: das ist nur für Israel, und das ist nur dafür." Da sage ich: Da muß ich erst abwarten, bis Du mir sagst, was mir gilt! Nee, nee, nee, nee. Also, mir ist die Bibel von vorne bis hinten für mich geschrieben, ja, sind wir uns einig. Das ist dummes Zeug, laßt Euch nicht so dumm machen, daß Euch plötzlich Leute ein Stück abreißen wollen und wollen das wegtransportieren, woanders hin. Oder, die Nazis, die kamen an - das wissen die Jungen nicht mehr - und sagten: Gut, ihr könnt das neue Testament gebrauchen, aber das alte, das ist ein Judenbuch. Und schon schrie die ganze Meute der Christen: Na ja, wir können ja auf das Alte Testament verzichten, wenn wir das Neue haben. Wer einmal das Neue Testament gelesen hat, weiß, daß das Unsinn ist, versteht ihr? Aber da wurde also der Flügel "Altes Testament" abgebaut. Nun kommt heute 'ne moderne Theologie - da ist in Tübingen ein Professor Käsemann, der kommt aus meiner Jugendarbeit, stellt Euch mal vor, kann man die Haare raufen, leider hab' ich keine mehr (Gelächter). Nicht wahr, und sagt, ja also, nicht: Das ist Mythus, und das mußte 'raustun, und da mußte das noch hören... Da bleibt nicht mehr viel übrig. Der reißt meine Burg so zusammen, daß überhaupt nicht mehr viel da ist.

Das ist also eine gefährliche Sache - ob man dazubaut oder abbaut. Darf ich mal fragen: Sind höhere Schüler hier, 'mal Hand hoch? Ja? Sind Leute hier, die Religionsunterricht in der Berufsschule haben? Mal Hand hoch, ja. Also, ich muß mit denen reden. Dieser Abbau kann in einer höchst subtilen, zarten Form geschehen, etwa so: Wie ich noch Pennäler war, da sagte unser Religionslehrer: Natürlich ist die Bibel kein Geschichtsbuch, sie ist kein Naturwissenschaftsbuch, und da hab' ich in meinem Herzen 'ne Türe zugemacht und gesagt "Also was ist 'se denn dann?" - und hab' die Bibel weggetan, und ich bin Jahre in meiner inneren Entwicklung aufgehalten worden und zur Gottlosigkeit gekommen durch diesen Salat. Das ist zwar nicht..., oder - es kann so gesagt werden, dieser Abbau: Man beruft sich auf den guten alten Luther, der sich ja nicht wehren kann, weil er längst im Grabe liegt, und sagt: Luther hat gesagt, die Bibel gilt für uns "soweit als sie Christum treibet" (habt ihr vielleicht auch schon gehört), soweit als sie Christum treibet. Das klingt so fromm - und ist ein Bombenschwindel! Luther hat' s in ganz anderem Zusammenhang gesagt. Denn nun muß ich fragen: Was treibt denn in der Bibel nicht Christus? Ich habe sehr eindeutig... da hat einer so'n Vortrag gehalten: Was Christum treibet, das geht uns an. Ja Moment mal, lieber Amtsbruder, treibt das vierte Buch Mose, wo von Opfergesetzen steht, Christum? Nein, nein, sagt er, das natürlich nicht. Da sag' ich, paß mal auf: Ich komm mal ins Zimmer, als meine Mutter noch lebte, da sitzt meine alte Mutter über der Bibel und sagt: Wilhelm, herrlich, herrlich. Ich sag': Was liesch' denn? 's vierte Buch Mose. Da sag' ich: Da sind doch bloß so Opfervorschriften und so Sachen. Da sagt sie: Ja, merksch' denn des net, daß des alles en Hinweis auf de Heiland isch? Du kannsch' doch das Opfer Jesu gar nicht verstehen, wenn Du nicht gelesen hast, was das heißt - ein Opfer. Da sagte ich: Für meine Mutter trieb das vierte Buch Mose Christum, nicht? Damit ist gar nichts gesagt. Nach meiner Erkenntnis treibt von der ersten Zeile bis zur letzten die ganze Bibel Christum. Das ist bloß so 'ne Finte, um abzubauen. Oder, neulich hörte ich in einem Vortrag, da sagt einer: Das Wort ward Fleisch, [und] wie Jesus in den Windeln lag, so liegt das ewige Wort in den Windeln menschlicher Worte! Da habe ich gefragt: Moment mal, wer stellt denn fest, was Kind ist und was Windeln sind? (Gelächter). Man kann ein Kind nicht nur mit dem Bade, sondern auch mit Windeln ausschütten, ja, versteht ihr. Ich bedaure, daß ich das nicht etwa klar machen kann. Nur ein Beispiel: Ich hab 'ne Bibelstunde gehalten, mal als junger Kerl, wie Mose an den Felsen schlägt, und es gibt Wasser, und da hab' ich gesagt, wie Gott an sein Volk denkt, und sie versorgt. Und wie ich fertig war, da war ich ganz stolz, hab' ich 'ne schöne Stunde gehalten - passiert mir heute nie mehr. Und da komm' ich runter, und da steht ein alter Bruder Böhm (die haben ein großes Schuhhaus, Kaufmann) - er ist jetzt in der Ewigkeit - und sagt: Das war eine arme Sache. Und da ging ich doch so'n bißchen hoch, ich war ein junger Kerl, und sage:  Na hör' mal, Bruder Böhm. Und da sagt er: Bei mir steht im Neuen Testament: Der Felsen, der nachfolgte, war Christus. Der geschlagene Fels, der Lebenswasser gibt, ist Christus, sagt Paulus. Davon hab' ich nichts gehört! Da hab' ich Kugelaugen gemacht und gesagt: Das hab' ich noch gar nicht gewußt, daß Jesus Christus so im Alten Testament vorkommt, versteht ihr? Ich dachte, das wären Windeln, war aber Kind. Laßt Euch auch mit subtilen Reden die Bibel nicht abbauen. Wenn Du etwas nicht verstehst, dann laß es auf sich beruhen, dann versteht's ein Anderer.

Also: Du brauchst nichts dazuzubauen zu der Burg, Du brauchst nichst abzureißen von der Burg, und jetzt kommt's kritischste: Du brauchst auch die Mauern dieser Burg nicht zu stützen. Da gibt's also in der ganzen Welt so viele, die haben die Lehre von der Verbalinspiration, das heißt, jedes Wort der Bibel ist vom Heiligen Geist inspiriert, kennt ihr das, jedes Wort ist von Gott inspiriert. Und wer das nicht glaubt, der kriegt auf den Hut gehauen. "Wir müssen die Mauern der Burg stützen mit dieser Lehre". Da sag' ich: Moment mal, die Bibel ist meine Burg, und der glaub' ich vom ersten bis zum letzten Wort, aber da brauch' ich keine Lehre, die sie stützt. Ihr müßt jetzt gut aufpassen, daß es keine Verwirrung gibt. Mich interessiert dieser Streit über die Bibel nicht sehr, offengestanden. Die einen wollen abreißen, und die anderen wollen die Mauern stützen. Diese Lehre von der Verbalinspiration stammt von den schlimmsten Feinden alles lebendigen Glaubens, von den Orthodoxen in der Zeit nach Luther. Die haben das Wort von der wörtlichen Inspiration, jedes Wort, erfunden, da bin ich schon mißtrauisch. Ich habe nachgeforscht, die Reformatoren haben überhaupt keine Lehre über die Bibel gehabt, und ich habe unserem Freund Liebrich gesagt: Ich rede eigentlich nicht so arg gerne heute mittag über die Bibel, ich rede lieber über den Inhalt der Bibel, versteht ihr. Die Reformatoren haben keine Lehre über die Bibel gehabt, sie haben gehorcht was drinstand. Es gibt in Rußland heute noch eine ganz lebendige christliche Bewegung, das sind die Evangeliums-Christen. Da sind die Stundisten und die Baptisten zusammengeflossen. Ich hörte, daß die also in Moskau 8000 oft in ihren Gottesdiensten haben. Und der Leiter, der frühere Leiter der Evangeliums - Christen hat mich mal besucht, der ist in Deutschland dann gestorben, Ivan Stephanovic Prochanov. Der wurde von der orthodoxen Kirche sehr verfolgt. Und da sagte er: Bruder Busch, in unserer Kirche [also er sprach sehr gebrochen deutsch, er hatte so schöne Ausdrücke, er sagte "Ich bin frisch wie eine Gurke", oder wenn einer klagte, dann sagte er: "Nur getrost, Bruder, es kommt noch schlimmer", so, nicht] Und er sagte, in unserer Kirche, in der orthodoxen Kirche, wurde uns im Gottesdienst die Bibel in Leder gebunden, mit Diamanten verziert, hingehalten, und wir küßten sie, aber keiner sagte uns, was drinsteht. So kann man 'nen großen Respekt vor der Bibel haben, und kann 'ne Lehre über die Bibel haben, über Verbalinspiration, aber man liest sie nicht. Und darauf pfeif' ich. Bitte, ich bin also nun 30 Jahre Jugendpfarrer gewesen; ich hab's aufgesteckt, weil mein Bart kommt, und weil ich hier nicht so alt werde, und da hab' ich es aufgesteckt. Aber es kamen viele junge Männer zu mir und fragten: Ja, was soll ich von der Bibel halten?

Ich sagte: Ja Mensch, lies sie! "Ja, muß ich nicht vorher glauben, daß es Gottes Wort ist?" Ich sagte, Du brauchst keine Vorleistung. Und das möchte ich all den Alten mal sagen. Verlangt nicht, eh' der Mensch anfägt, die Vorleistung des Glaubens.

bis [28:08]

gehalten im Jahr 1965, Esslingen am Neckar

Audiofassung des Vortrags (auf sermon-online.de)

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