Gebet nach dem Abendmahl

Kreuz Jesu Christi

Wilhelm Gottlieb Reiz

Preiswürdigster König und Heiland, Herr JEsu Christe, du hast dich heut’ an meinem Abendmahlstage unendlich weit zu mir herabgelassen, und dich mir unter Brot und Wein auf geheimnisvolle Weise wesentlich mitgeteilt. Damit hast du mir die außerordentliche Gnade erwiesen, daß du dich mit mir vertrautest in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit; ja, daß du dich mit mir verlobtest, ob ich gleich nur mit schwachem Glauben zu dir kam.

Nun, du liebevoller JEsu, ich erkenne recht lebendig deine brünstige Liebe, und lobe deine überschwängliche Gnade und Güte gegen mich, deinen armen Jünger, mit dem gerührtesten Herzen; ich weiß dir nicht würdig genug dafür zu danken. Deine Barmherzigkeit, o Herr, und deine mir heute erzeigte Wohltat ist ewig unaussprechlich.

Ich kann nichts tun, als mich dir völlig aufopfern, was ich längst in der heiligen Taufe getan, was ich bei dem ersten Genuß des heiligen Abendmahls mit vielen Tränen wiederholt, ja was ich seither so vielmal bei deinem Altar erneuert, da ich ein heiliges und ewiges Bündnis mit dir aufgerichtet, da ich dir Treue, Glauben und Liebe zugeschworen, und deinen und meinen Feinden durchaus abgesagt habe. Das tue ich heute an meinem großen Versöhnungs- und geistlichen Hochzeitstage aufs allerfeierlichste wieder, und ich tue es mit dem ernsthaftesten und aufrichtigsten Sinne. — So wahr ich heute deinen allerheiligsten Leib und dein teures Blut der Versöhnung empfangen habe, so wahr schwöre ich dir hiermit und sage, wie ich es bis an meinen Tod sagen werde! dein bin ich, gekreuzigter Sohn Gottes, und mit dir will ich’s halten, du König der Ehren, mein Leben lang! Mein Lebtage will ich dich aus meinem Sinn nicht lassen. Dir, meinem angebornen Herrn, der mich noch dazu von Hölle und Tod losgekauft hat, will ich von heute an bis in den Augenblick des Todes getreu und untertan sein, und an deinen Namen, an dein Evangelium, Blut und Tod allein glauben. Ich will mich niemals schämen noch scheuen, man spotte oder zürne darüber, es jedermann mit Freuden zu sagen: Ich armer Sünder bin des Herrn, des Jesu von Nazareth, ich bin sein Leibeigener; ich lebe nicht mehr mir selbst, ich sterbe nicht mir selbst mehr. Lebe ich, so lebe ich dem Herrn: sterbe ich, so sterbe ich dem Herrn. Darum ich lebe oder sterbe, so will ich mit Leib und Seele ewig dieses Herrn sein.

So entsage ich denn hiermit der eitlen Welt und dem, was in der Welt ist, der Fleischeslust, sie mag entschuldigt werden und sich mir anschmeicheln wie sie will; der Augenlust und was dieselbe befördern kann; und allem hoffärtigen stolzen Wesen. Ich entsage dem Feinde, dem Satan, und allen seinen Werken. Ich will ihn täglich bestreiten und mit Jesu Blut überwinden; ich will desto sorgfältiger wachen, je listiger und verborgener er zu meinem Verderben arbeitet. Ich entsage meinem alten inwendigen Menschen und seinen verkehrten Trieben ganz und gar. Je mehr mich dieser innerliche Feind quälet, und je unablässiger ich mit ihm zu kämpfen habe, desto mehr will ich flehen zu Jesu und durch die Kraft seines Todes den alten Adam in mir töten und kreuzigen, samt allen bösen Lüsten und Begierden.

Von ganzem Herzen dagegen und ohne alle Ausnahme gebe ich mich meinem JEsu, als meinem rechtmäßigen Herrn, ganz hin zu seinem lebendigen Opfer, zu seinem immerwährenden Dienste, zu seiner Regierung und Führung. Ihn will ich hören in seinem Worte. Jede Gelegenheit will ich ergreifen, sein süßes Evangelium zu hören, zu lesen, zu betrachten, mich daraus zu unterrichten und damit zu trösten.

Ich will das für meine einzige Ehre und Weisheit achten, daß ich JEsum recht kenne und wisse. Mein Heiland, nur deiner will ich mich rühmen, dein Kreuz soll meine Ehre sein, darüber will ich mich freuen, weil du an demselben für mich ein Fluch geworden. Wenn sich andere daran ärgern, und es ihnen zu einfältig ist, so mache mir es desto wichtiger und lehre mich das Geheimnis des Kreuzes von Tag zu Tage tiefer einsehen.

Dich will ich überall suchen, und wo du nicht bist, da will ich auch nicht sein. Wenn ich schlafen geh’, will ich dich suchen und in deinem Schoße einschlafen. Wenn ich erwache, will ich sogleich an dich, du ewige Sonne der Gerechtigkeit, gedenken und nach deinem Lichte mich sehnen. Wenn ich anbete, so will ich dich dazu erbitten, daß du mich segnest; wenn ich esse, sollst du mein Gast sein; wenn ich in Gesellschaft bin, so will ich mich an deine Gegenwart erinnern und gerne von dir reden. Wenn ich einsam sein sollte, so will ich mit dir reden, und so stets in dir bleiben.

Wahrlich, du sollst mir, o treuer Heiland, Alles, Alles, Alles sein. Es mag sein, daß ich mich ohne dich eine Zeitlang erfreuen könnte; es mag sein, daß mir der selige Umgang mit dir, und der Eifer in deinem Dienst und in deiner Nachfolge äußerlich noch Beschwerlichkeiten und Feinde macht: dennoch bleibe ich stets bei dir; dennoch achte ich Ergötzlichkeiten, Wohlleben, Ehre oder Gunst der Menschen, die dir zuwider sind, nur für Schaden. Denn, o JEsu, du hältst mich doch bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat, und, wer kann denn das auf dem ganzen Erdboden und in allen Welten dir nachtun? Du nimmst mich endlich mit Ehren an. Du alleine kannst mir endlich in der Todesstunde helfen, wofür sich Weltkinder so sehr fürchten. Und du hilfst mir auch allein vom Tode zum Leben, von der Erde zum Himmel, von meinem Elende zur ewigen und allerseligsten Herrlichkeit. Darum frage ich nichts mehr nach Himmel und Erden! wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

- Mein unendlicher Wohltäter, damit ich dich noch tätiger lieben könne, so laß mich forthin ein Freund aller Menschen werden, sie mögen mir gewogen sein oder nicht, sie mögen noch so gering sein als sie wollen, sie mögen fromm und deine Glieder, oder weltlich gesinnt und dir untreu sein. Hilf mir, daß ich alle, so viel als ich Gelegenheit und Vermögen habe, tätig lieben möge. Deine unerhörte Liebe, wie du sie uns in deinem Leben und Leiden und in deinem Worte lehrest, soll meine Reizung und mein Spiegel sein.

Ich lege hiermit ab zu deinen Füßen allen Neid, allen Stolz, allen Geiz, alle Lieblosigkeit, allen Groll, mein empfindliches, mein wildes und auffahrendes Benehmen gegen meinen Mitbruder, und vor Allem alle Verstellung und Falschheit. Ich will niemand vervorteilen, kränken, spotten, ärgern, hassen.

Nimmermehr will ich meinen Nächsten unbefugt richten und übel von ihm reden. Ich will die Wunderlichen, die Schwachen, die Ungeduldigen und Zornigen, meine Feinde und Spötter tragen, und über ihre Fehler hinüber und auf dich, Herr Jesu, auf dein Kreuz sehen: wie du für deine Kreuziger nicht erbittert, sondern liebreich gebeten, und ihr gotteslästerliches Schimpfen, Spotten, Lachen, sanftmütig und stille ertragen hast. Ich will nicht drohen, wenn ich leide, sondern es dir heimstellen und auf die Erlösung hoffen.

Ich will allen allerlei werden, niemand verachten, die Armen nicht abweisen, sondern sie für deine und meine Brüder ansehen. Witwen und Waisen will ich trösten, beraten und ihnen helfen. Deine Brüder will ich lieben als meine Brüder.

Für alle Menschen, für deine Christen und Knechte insonderheit, will ich gerne und oftmals beten. Ja, ich will mich befleißigen, stets an der Gemeinschaft der Gläubigen, die an allen Enden der Erde sind, zu halten und mich nicht davon abzusondern. Laß auch die sich zu mir halten, die dich fürchten und deine Zeugnisse kennen.

Ich will täglich gläubiger, kleiner, reiner, stiller, wachsamer, heiliger, und dir mein Heiland, ähnlicher und gleichgesinnter werden. Allezeit will ich am allerersten trachten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann will ich im Glauben meinen Beruf mit aller Gewissenhaftigkeit ausrichten. Ich will mich freuen, aber nur in dir; ich will sorgen, aber nur für mein Herz; ich will mich gerne verleugnen, aber nur um deinetwillen. Ich will in der Welt leben, aber nicht mit derselben. Dich und mich selbst will ich betrachten, und alle Eigenliebe verbannen, wenn sie mich blenden sollte. Ich will meine Sünde erkennen, an dich will ich glauben, dir will ich leben, dir will ich sterben, dir will ich ewig dienen.

Amen.

Wilhelm Gottlieb Reiz, Pastor zu Ehdorf bei Nossen,

(geb. 13. Juni 1740, gest. am 12. März 1808)

Entnommen aus:

Allgemeines evangelisches Gesang- und Gebetbuch zum Kirchen und Hausgebrauch

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