Christian Scriver

Christlicher Seelenschatz

 

Chr. Scriver

III. Demnach wird es leicht sein, die Buße auch nach dem neuen Gehorsam und nach ihren Früchten zu prüfen; — denn dieselbe bringt, wie wir oben gesehen haben, eine große Veränderung mit sich, welche nicht bloß derjenige selbst, an dem sie geschieht, sondern auch andere, ob sie gleich gottlos sind, wahrnehmen können. Sie ist eine göttliche Wirkung in uns, die sich nicht verbergen läßt, sie fängt im Herzen an und verbreitet sich von da in alle Glieder und in alle Kräfte des Leibes und der Seele. Sie kehrt das Herz von der Sünde zu Gott und gibt einen neuen Geist und einen neuen Sinn. Darauf deutet auch der Apostel hin, mit den Worten aus 2. Kor. 5, 17.18:

Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden; aber das alles von Gott, der uns mit Sich selbst versöhnt hat, durch Jesum Christum.

Der nämliche Unterschied, welcher zwischen einem toten und einem lebendigen Menschen, zwischen einem verwilderten und einem bebauten Acker, zwischen einem wilden und einem geimpften Stamm, zwischen einem ungeratenen und gehorsamen Sohn ist, findet auch zwischen einem bekehrten und unbekehrten Menschen statt. Auch dies lehrt die Heilige Schrift in mehreren Aussprüchen und Beispielen, auf welche wir mit Gottes Hilfe später kommen werden. Für jetzt erinnern wir an die Worte des Apostels Paulus:

Gott sei gedankt, daß ihr der Sünde Knechte gewesen seid, aber nun gehorsam geworden von Herzen dem Vorbilde der Lehre, welcher ihr ergeben seid (Röm. 6, 17)

Ihr waret weiland Finsternis; nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn (Eph. 5, 8)

Ebenso sagt auch Petrus: „Sehet darauf, daß ihr hinfort die noch übrige Zeit im Fleisch nicht nach den Lüsten der Menschen, sondern nach dem Willen Gottes lebet. Denn es ist genug, daß wir die vergangene Zeit des Lebens zugebracht haben nach heidnischem Willen. Das befremdet sie (die noch Unbelehrten), daß ihr nicht mehr mit ihnen laufet in dasselbe wüste, unordentliche Leben und Laster."

Hier stellt nun der Apostel das Sündenleben vor der Bekehrung dem Leben der Gnade nach der Bekehrung gegenüber, und verlangt, daß man die übrige Lebenszeit nach Gottes heiligem Willen anwenden solle. Zugleich bemerkt er auch, daß die Veränderung bei den Bekehrten so groß und sichtbar sei, daß sich auch die Ungläubigen darüber wundern, wie jene so schnell auf andere Gesinnungen gekommen und nun den Lüsten, an welchen sie früher Freude gehabt haben, von Herzen feind seien. Daraus läßt sich schließen, daß die Veränderung nicht bloß äußerlich geschieht, sondern vorzüglich innerlich. Zuerst wird das Herz durch Gottes Gnade und Geist erneuert, der Mensch bekommt Christi Sinn, sein Verstand wird erleuchtet und sein Wille geändert; er lebt nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist, die Lust der Welt ist ihm eine Last, ihre Weisheit eine Torheit, er flieht ihre Gesellschaft, hat keine Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis, und befleißigt sich täglich mehr, dem Vorbilde Christi ähnlich zu werden. Er wandelt anders als früher, übt sich in der Gottseligkeit und sucht seinem Gott zu dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit. Er liegt täglich mit der Sünde im Kampfe, die noch in seinem Fleische wohnt und unterdrückt sie durch die Kraft Jesu Christi. Fehler und Schwachheiten, die er noch an sich findet, sind ihm herzlich leid, und er bestrebt sich, sie zu verbessern. Er eifert um seinen Gott und sucht auch andere Übertreter die Wege des Höchsten zu lehren; er schämt sich seines Heilandes nicht, sondern bekennt seinen Namen frei vor der Welt und erweist sich überall als ein Christ. — Sein ganzes Leben ist nur eine Lob- und Danksagung; denn er kann seinen Heiland nicht genug preisen, daß Er ihn durch sein Blut gereinigt und in seine Gemeinschaft aufgenommen hat. — Diese Veränderung ist aber nicht gezwungen, wie schon viele Menschen durch Alter und Schwachheit oder durch Armut und sonstigen Zwang dahin gebracht wurden, daß sie von groben Sünden abließen, während ihr Herz mit böser Lust und Liebe zu denselben stets erfüllt blieb. Mancher abgelebte Wollüstling redet wenigstens noch schändliche Dinge, wenn er auch gleich der Tat entsagt hat. Der alte Dornstrauch kann ja, wenn er gleich viele dürre Reiser hat, noch stechen, obschon nicht mehr so stark, wie der grüne und junge; aber einer ist so schlimm als der andere. — Mir scheint es einmal keine wahre Bekehrung zu sein, wenn der alte Vater, der schon mit einem Fuß im Grabe steht und daher seine Ausschweifungen unterlassen muß, es recht wohl leiden kann, wenn seine Söhne es so treiben, wie er es getrieben hat; wenn er nicht mit gehörigem Ernst sie davon abhält, sondern bloß aus Furcht vor dem herannahenden Tode zuweilen ein Gebet um Vergebung der Sünden liest, seufzt und sich fromm stellt. Denn wie kann man sagen, daß derjenige eine wahre Reue über die Sünden seiner Jugend im Herzen habe, der bei jeder Gelegenheit dieselben mit Vergnügen erzählt und andere nicht davon abzubringen sucht. Wer sich seiner Sünden noch mit Lust erinnert, der begeht dieselben vor Gott gleichsam immer wieder von neuem, wer über dieselben sogar lachen kann, der ist weit von der wahren Buße entfernt, sein Herz hängt noch an der Sünde, wenn ihm gleich die Kraft fehlt, dieselbe auszuführen. — So gerät mancher durch Armut dahin, daß er nicht mehr spielen, sich betrinken, oder über seinen Stand kleiden kann; aber wenn er die nächste, beste Gelegenheit zu solchen Lieblingssünden begierig ergreift, so zeigt er gar bald, daß es ihm mit seiner Besserung kein wahrer Ernst war. — Die rechte Buße fließt aus dem durch Gottes Gnade veränderten Herzen, sie kann ihrer vorigen Sünden ohne Tränen und Seufzer nicht gedenken, warnt andere mit Ernst, und meidet jede Gelegenheit, wieder in die Netze des Satans zu geraten. Sie befleißt sich eines nüchternen, mäßigen Lebens, denkt an die vergangene Zeit mit Schrecken, und dankt Gott alle Tage, daß Er sie nicht in seinem Zorn aufgerieben, und nach Verdienst dem ewigen Verderben preisgegeben habe. — Endlich kann man auch daraus sehen, daß es dem Menschen mit seiner Besserung ein Ernst ist, wenn er sich Nichts vorbehält, sondern Allem, was wider Gottes Gebote ist, entsagt, und, so viel möglich, ein gottseliges Leben führt. — Wenn die Gerichte Gottes nahe sind oder bereits über die Menschen ergehen, so enthalten sich manche eine Zeitlang ihrer gewohnten Sünden, gleich wie einige in der Hoffnung, eine gute Heirat zu treffen, sich so lange des Trinkens und Spielens enthalten, bis sie ihre Absicht erreicht haben. Andere haben den guten, aber doch unrichtigen Vorsatz, daß sie sich in den Tagen, an welchen sie sich zum heiligen Abendmahl vorbereiten, wirklich vor der Sünde hüten wollen und sie führen denselben auch aus. Noch Andere lassen zwar von den Sünden, die sie bisher gewohnt waren, aber sie verfallen gerade in die entgegengesetzten Fehler; so wurde aus dem Verschwender schon häufig ein Geizhals. An vielen hat man es schon erfahren, daß sie zwar nicht mehr fluchten, aber auch das Gebet nicht gar hochachteten; oder man sah sie am Sonntage zwar nicht mehr betrunken, aber doch bei bösen Gesellschaften, wo sie ihre Zeit mit Müßiggang und allerhand Torheiten zubrachten. Manche wollen zwar ihrer Streitsucht entsagen; aber das kommt sie sehr sauer an, die Beleidigungen Anderer unvergolten hingehen zu lassen. Sie wollen zwar Niemand das Seinige nehmen, aber auch das unrechte Gut nicht wieder herausgeben, und dem Dürftigen nicht beispringen. Das heißt den Satan zur Haustüre hinaus, und zur Hintertüre wieder hereinlassen. Es heißt nicht Buße tun, sondern sich bloß verstellen. Wem es ein Ernst ist mit seiner Besserung, der sagt dem Teufel ab mit seinen Werken und Wesen, und zwar auf ewig. Er erklärt sich, daß er ein Feind alles gottlosen Wesens sein, zeitlebens dagegen kämpfen, streiten, beten und nie wieder darein willigen wolle, die Welt möge übel dazu sehen oder nicht, und sein Fleisch und Blut möge es schmerzen oder nicht. Es ist sein ernster Vorsatz, seinen Gott nicht mehr zu beleidigen, weshalb er Ihn täglich um den Beistand seines Geistes bittet. Es heißt bei ihm:

Gute Nacht, o Wesen, Das die Welt erlesen, Mir gefällst du nicht.

Gute Nacht ihr Sünden, Bleibet weit dahinten. Kommt nicht mehr ans Licht;

Gute Nacht, du Stolz und Pracht, Dir sei ganz, du Lasterleben, Gute Nacht gegeben!

(Lied: Jesu meine Freude, Johann Franck)

Um in diesem heiligen Vorsatze zu verharren, meidet der Bekehrte jede Gelegenheit zum Bösen, flieht diejenigen, welche in täglichen Sünden leben, wie die Pest, erneuert seinen gottseligen Entschluß alle Morgen, und untersucht seinen Wandel am Abend, damit er seine Fehler erkennen und sie vor Gott abbitten möge. Er wappnet sich mit dem Sinn und Geist Christi, wird in dem täglichen Kampf mit der Sünde nicht müde, sondern hält an mit Beten und Flehen, und trachtet darnach, immer vollkommener zu werden, eingedenk des Worts: „Jaget nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung in Christo Jesu." —

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